Tatort: Bottrop, Rastplatz
Tatzeit: gestern Abend nach 17 Uhr, Feierabendverkehr, vom Kündigungsgespräch in meiner Firma auf dem Weg nach Hause.
Hinter mir auf der Autobahn läuft ein Einsatzfahrzeug der Rennleitung auf, fährt ne Weile hinter dem Taunus her, überholt mich schließlich, winkt mich mit Leuchtschrift auf den Rasthof in Bottrop raus.
Es steigt ein Schutzmann aus, der wie die Nachgeburt von Olm aussieht, und reißt an meiner Beifahrertür.
Er: "Ein historisches Fahrzeug haben Sie da, ist ja interessant."
Ich: "Ich wünschen Ihnen auch einen schönen guten Abend."
Er: "Führerschein und Fahrzeugschein bitte."
Ich: "Gerne. Irgendetwas nicht in Ordnung?"
Er: "Sie waren nicht angeschnallt - das haben wir gesehen, als wir hinter Ihnen hergefahren sind."
Ich: "Das ist richtig. Das geht ohne Gurt ja auch nicht so gut." (und zeige auf den nichtvorhandenen Gurt).
Er: "Ihnen ist schon klar, das ein Kraftfahrzeug nur im Verkehr betrieben werden darf, wenn es mit Sicherheitsgurten ausgestattet ist?"
Ich: "Nicht bei Fahrzeugen vor Erstzulassung 1970."
Er: "Wo haben Sie das denn her?"
Ich: "Ich schätze, das hat man irgendwann mal in der Straßenverkehrsverordnung so festgelegt."
Er: "Das meinen SIE vielleicht."
Ich: "Dann lesen Sie es doch nach, wenn Sie mir nicht glauben. Bei Kraftfahrzeugen besteht eine Ausrüstpflicht für die vorderen Gurte erst ab EZ April 1970, bei den hinteren ab EZ Mai 1979 - so hats der große Manitu verfaßt."
Er :"Das werden wir ja gleich sehen..."
Sprachs und dackelt tatsächlich los zu seinem Streifenwagen, wo der Kollege Weichkeks noch drinsitzt und sich bei laufendem Motor wärmt. Er kommt wieder zurück, reißt erneut an der Beifahrertüre herum.
Ich: "Seien Sie bitte mal etwas sanft, schliesslich das ist kein Scheunentor."
Er: "Was wollen Sie denn eigentlich mit dem Hammer, der hier neben dem Sitz liegt?"
(Anmerkung: externer Anlasser)
Ich: "Wie kommen Sie denn jetzt darauf?"
Er: "Naja, wenn man so jemanden kontrolliert, da muß man sich ja so seine Gedanken machen..."
Ich: "Wie bitte? Was soll denn jetzt die Bemerkung?"
Er:" Machen Sie bitte erst mal Ihr Fahrzeug aus."
Ich: "Nein, das mache ich nicht. Der springt dann nämlich vielleicht nicht sofort wieder an, und Sie werden mir wohl kaum schieben helfen. Und ich wäre gerne vor den Spätnachrichten wieder zuhause."
Er: "Nein, das werde ich ganz sicher nicht. Mir ist der Verwendungszweck Ihres Hammers trotzdem noch immer nicht ganz klar..."
So langsam versammeln sich die ersten neugierigen Zuschauer um den Taunus.
Ich (mit nem breiten Grinsen auf meinem Gesicht): "Jeder normale Oldtimer-Fahrer hat so n Ding im Auto, um seinen Anlasser gelegentlich wachzuklopfen. Ich hingegen werde gleich mit dem Hammer zur Tankstellenkasse stürzen, die Tageseinnahmen an mich nehmen und dann mit meinem völlig unauffälligen 70 PS starken Kraftfahrzeug auf die Autobahn flüchten - vielleicht schaffe ich es dann bis zum Morgengrauen an die mexikanische Grenze."
Kollege Weichkeks, der sich zwischenzeitlich dazugesellt hat, ums Auto schleicht und meinen Wagen mit den Angaben des Papieres vergleicht, das früher mal der KFZ-Schein war, sagt plötzlich: "Du, ne AU-Plakette hat der auch nicht."
Ich: "Wäre auch ja auch Quatsch, diese auf das Nummernschild eines Autos zu pappen, das vor 1969 erstmalig zugelassen wurde - also mit anderen Worten: der braucht die nicht, da bereits 1965 zugelassen, wie Sie ja vielleicht schon aus den Fahrzeugpapieren entnommen haben."
Er: "Mir scheint, als wenn an diesem Auto so einiges nicht in Ordnung wäre."
Ich: "Mir scheint, als wenn Sie nicht ganz sachgemäß informiert sind - Sie sollten sich vielleicht erst mal schlau machen, bevor Sie hier wahllos und unberechtig vermeintliche Mängel ankreiden. Und wenn Sie dann zu dem Schluß kommen, daß Ihr Wissenstand nicht ausreicht, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn wir die Sache abkürzen und Sie besser einen Gutachter hinzuziehen könnten."
Die Menschentraube, die sich im respektvollem Abstand um den Taunus versammelt hat, wächst immer weiter an.
Kollege Weichkeks: "Und was sind das hier für rote Streifen auf dem Kennzeichen? Die sind ja wohl kaum gesetzmäßig angebracht."
Ich: "Das ist allerdings richtig."
Er:" Dann machen Sie die jetzt bitte ab, sonst mache ich das - Sie betreiben hier Urkundenfälschung."
Ich: "Ich betreibe was?! (...als wenn ich das nicht wüßte...!) Das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst..."
Er: "Das ist mir sogar toternst. Ich bin nicht wenig geneigt, eine Meldung an das Kraftfahrtbundesamt zu machen, wegen Urkundenfälschung - das wird Sie mit Sicherheit Ihren H-Status kosten!"
Ich steige aus und antworte ab jetzt in einer für das Publikum klar verständlichen Lautstärke: " Und das Alles wegen eines roten Klebebalkens über dem völlig bescheuerten EU-Kringel? Dann bin ich ja froh, das so gut informierte von der Bürgerschaft finanzierte Bundesbeamte wie Sie derart engagiert für unsere Straßenverkehrssicherheit sorgen..."
Er: "Machen Sie den Aufkleber ab, sonst mache ich das!!"
Ich: "SIE werden diesen Wagen mit Sicherheit nicht anrühren, Sie sind ja schon mit der Funktion einer 42 Jahre alten Autotüre überfordert" (und beginne, die roten Balken abzuknibbeln).
Er: "Eine OWA von 10 Euro gibt es zudem, wegen Urkundenfälschung. Sollten Sie diese nicht innerhalb von 7 Tagen bezahlen, werde ich eine Anzeige schreiben und eine Meldung an das Kraftfahrtbundesamt machen!"
Ich :"Ja genau, immer weg mit diesen alten Stinkern von der Straße...und mal ganz nebenbei: Bevor Sie Ihren Morgenkaffee runtergewürgt haben, sitzen da schon zwei neue rote Balken auf dem Kennzeichen, da können se aber einen drauf lassen."
Gelächter aus der Menge.
Beide Beamte verschwinden mit meinen Papieren im Streifenwagen, lassen mich glatte 15 Minuten mit der Menge allein, in der ich den Sachverlauf in aller Ruhe schildern und Fragen zum Auto beantworten kann.
Mit Kollegen Weichkeks im Schlepptau kommt der Schutzmann zu mir, überreicht mir den Zahlschein und meint: "Bitte sehr - es war mir eine Freude, diesen Schein auszufüllen, mein Name steht übrigens auch da drauf."
Ich: "Das glaube ich Ihnen sogar. Aber lächerlich kommen Sie sich mit Ihrem Auftreten nicht vor, oder?"
Er: "Nein, das tue ich nicht, warum sollte ich auch?"
Ich: "Eben. Warum sollten Sie auch?
Er dreht sich um, nickt Kollege Weichkeks zu und schlurft zu Streifenwagen.
Um noch eins draufzusetzen, witzele ich hinterher:
"Da vorne steht übrigens noch ein SEAT schief in der Parklücke und mit den Reifen mitten auf der Parkbegrenzung - der plant demnächst bestimmt einen Regierungsumsturz - DA würde ich mal einschreiten...der ist bestimmt genau so ein Schwerverbrecher wie ich!"
(Blöde Bemerkungen fallen mit Publikum wesentlich schneller).
Es ist ja jetzt nicht so, das ich eine Reaktion auf mein Kennzeichen nicht mit einkalkuliert hätte - ich bin deshalb ja schon desöfteren angehalten worden. Aber zum allerersten Mal habe ich am eigenen Leib erfahren, dass da vielleicht irgendwie eine behördliche Treibjagd auf alte Autos im Gange ist - vielleicht kamen die beiden Kekse in Lederjacke lediglich mit meiner sarkastischen Art nicht klar (wäre ja irgendwie verständlich).
Vielleicht waren Olm und der Weichkeks auch einfach nur mal zwei echte Ausnahme-Honks...es ist mir bisher jedenfalls noch nicht untergekommen, das es auf den Taunus mal KEINE positiven Reaktionen gab (was übrigens auch für meine EU-Hass-Kennzeichen gilt). Jedenfalls hatte ich den schweren Eindruck, der hätte mir den Karren am Liebsten direkt zwangsabgemeldet - und das 6 Volt eine funzelige Kennzeichenbeleuchtung machen, konnte er sich auch nicht wirklich vorstellen...hier nun das Outlaw-Ticket:
So...
...nach all dem Gesülze kurz noch ein paar persönliche Worte an Euch:
Ich habe hier heute auf dem Bergwerk nach über 3 Jahren meinen letzten Arbeitstag, trete ab Januar endlich einen neue (gutbezahlte) Stelle als Fahrer für hydraulische Arbeitsbühnen (62 Meter Arbeitshöhe) an, werde am Donnerstag/Freitag für den Rest des Jahres mit dem P5 an die Ostsee fahren (und dort vermutlich keinen Netzzugang haben).
Darum jetzt schon einmal:
Laßt es Euch gutgehen, beulen- und salzfreie Tage, einen guten Rutsch ins Neue und auf ein weiteres geiles Jahr mit Euch Verrückten!